Nachhaltigkeit: Durchstarten statt abwarten

Nachhaltigkeit: Voll durchstarten statt abwarten
Fachliche Inputs zu den Themen „Green Deal“ und „Nachhaltiges Wirtschaften“ lieferten Barbara Thaler (Vizepräsidentin der WK Tirol und Abgeordnete zum EU-Parlament) und Manfred Pletzer (Vizepräsident und Nachhaltigkeitssprecher der WK Tirol). © Victor Malyshev

Wie Sie und Ihre Branche die nachhaltige Transformation meistern werden

Exklusiver Info-Abend für Funktionär:innen

Nachhaltiges Wirtschaften: was kommt auf uns zu und was brauchen wir dafür? Beim exklusiven Info-Abend Ende März 2023 auf der Villa Blanka befassten sich die Funktionärinnen und Funktionäre der Tiroler Wirtschaftskammer mit Lösungen zur nachhaltigen Transformation. Im Vordergrund standen die Chancen für die Tiroler Unternehmen.

Der Wandel von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit nimmt zunehmend Fahrt auf. Im Zuge dieses Prozesses entstehen zahlreiche Fragen und Unsicherheiten. Die Wirtschaftskammer Tirol lud deswegen unter dem Motto „Voll durchstarten, statt abwarten“ ihre Funktionär:innen auf die Villa Blanka, um mit ihnen darüber zu diskutieren, wie sie und ihre Branchen die nachhaltige Transformation meistern können. Impulsreferate kamen von Vizepräsidentin und EU-Abgeordneter Barbara Thaler sowie von Vizepräsident Manfred Pletzer.

Wieviel Deal steckt im Green Deal?

Barbara Thaler ging auf die jüngsten Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit auf europäischer Ebene ein. Der von der Kommission verabschiedete „Green Deal“ ist seit knapp dreieinhalb Jahren in Kraft. „Das war ein echter ‚Man-on-the-moon-Moment‘, eine große Weichenstellung in Richtung Klimaneutralität“, betonte Thaler. Für die Umsetzung in gesetzliche Vorgaben hat sich die EU das Paket „Fit für 55“ verordnet, mit dem die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % verringert werden soll. Ein Teil der Gesetze ist bereits fixiert, bis Ende des Jahres soll das Paket abgeschlossen werden. Für die Tiroler EU-Abgeordneten ist entscheidend, dass der „Green Deal“ neben der ökologischen auch eine ökonomische Komponente beinhaltet. „Die Worte ‚Green‘ und ‚Deal‘ müssen gleichwertig betrachtet werden. Da darf es kein ‚oder‘ dazwischen geben, es muss beides möglich sein“, erklärte Thaler.

„Die Worte ‚Green‘ und ‚Deal‘ müssen gleichwertig betrachtet werden – beides muss möglich sein.“

Barbara Thaler, Vizepräsidentin und Abgeordnete zum EU-Parlament
© Die Fotografen

Trendwende in der EU

Die Abgeordnete verwies auf die Entwicklungen in den USA, wo als Pendant zum „Green Deal“ der „Inflation Reduction Act“ mit 1. Jänner wirksam geworden ist. Dieser funktioniert mit einem einfachen und hochwirksamen Mechanismus: Sparen Unternehmen bei der Produktion CO2 ein, erhalten sie Steuergutschriften, allerdings nur, wenn die Wertschöpfung in den USA erfolgt. Der „Green Deal“ ist im Vergleich dazu „regulierungsaffin“, wie es Barbara Thaler bezeichnete, und arbeitet mit zahlreichen Verboten und Auflagen. „Am Ende darf es allerdings nicht passieren, dass amerikanischen Firmen der EU-Markt offen steht, dies aber umgekehrt nicht gegeben ist. Das wäre insbesondere für unsere exportierenden Betriebe ein großer Nachteil“, erklärte die Europaabgeordnete. Barbara Thaler ortete derzeit einen Gesinnungswandel in Brüssel. „Es sind Tendenzen zu erkennen, dass nicht nur die CO2-Reduktion betrachtet wird, sondern auch die Chancen für europäische Betriebe und ihre Mitarbeiterinnen berücksichtigt werden. Wir kommen langsam von einer reinen Emissionsdebatte hin zu einer echten Nachhaltigkeitsdebatte, die einen viel weiteren Blickwinkel hat und auch Wohlstand und Arbeitsplätze umfasst“, betonte Thaler.

17 nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) haben die Vereinten Nationen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene festgelegt. Alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben sich verpflichtet auf ihre Umsetzung bis zum 2030 hinzuarbeiten – dabei spielt die Wirtschaft eine Schlüsselrolle. © un.org

Die richtigen Maßnahmen setzen

Vizepräsident Manfred Pletzer beleuchtete die nationalen und lokalen Rahmenbedingungen. Eine der wesentlichen Grundlagen stellt das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz dar, mit dem die Stromerzeugung bis 2030 zu 100 % aus erneuerbaren Energieträgern erreicht werden soll. „Über die Klimakrise brauchen wir nicht mehr diskutieren, diese ist ein Fakt. Jetzt geht es nur mehr darum, wie wir die richtigen Maßnahmen setzen und die sich daraus ergebenden Potenziale für unsere Betriebe nutzen“, so Pletzer. Die Wirkungen dieser Transformation gehen weit über die Wirtschaft hinaus und umfassen die gesamte Gesellschaft. Am Beginn dieses Prozesses steht für den Vizepräsidenten Bewusstseinsbildung: „Ich verstehe, dass explodierende Energiekosten und neue Verbote als Erstes Verunsicherung und einen Reflex des Widerstandes auslösen. Wir müssen mit diesen neuen Vorgaben zurechtkommen und das Beste daraus machen.“

“Die Klimakrise ist Fakt. Wir müssen mit den neuen Vorgaben zurechtkommen und das Beste daraus machen.”

Manfred Pletzer, Vizepräsident und Nachhaltigkeitssprecher der WK Tirol
© Die Fotografen

Bewusstsein bilden

Das Ziel der Veranstaltung war es, nicht nur mögliche Risiken anzusprechen, sondern mit Information und Best-Practice Beispielen gelungene Lösungen aufzuzeigen und das Bewusstsein dafür zu wecken, dass nachhaltiges Wirtschaften mit neuen Chancen für alle Branchen verbunden ist. Die WK Tirol ist gerade dabei, ein Positionspapier im Bereich Nachhaltigkeit zu erarbeiten, das sämtliche relevanten Faktoren erfasst. Es geht darin unter anderem um die Intensivierung neuer Ausbildungen im Sektor Green Skills, das Umdenken hin zu Kreislaufwirtschaft und Kreislaufgesellschaft, die Mobilitätswende, den Ausbau erneuerbarer Energien und den Abbau der damit zusammenhängenden Bürokratie. Zwei Best-Practice Beispiele rundeten die Veranstaltung ab. Martin Mühlbacher (INNIO Jenbacher GmbH) zeichnete den Weg „Together Towards Zero“ des Tiroler Leitbetriebes nach und betonte: „Innovationen gehören seit jeher zur DNA von INNIO, zukünftig wird auch Nachhaltigkeit dazu gehören.“ René Föger (Wirtshaus und Familienhotel Der Stern) führte aus, dass Nachhaltigkeit und Tourismus definitiv kein Widerspruch sein müssen und erläuterte, wie das Traditionshaus seinen USP fand.

Nachhaltige Lösungsansätze für Unternehmen

+ Nachhaltige Produktentwicklung und Produktdesign
+ Lieferketten optimieren und Materialeinsatz reduzieren
+ Produktion digitalisieren und Energieeinsatz optimieren
+ Neue Geschäftsmodelle
+ Logistik und betriebliche Mobilität: reduzieren, digitalisieren, elektrifizieren
+ Gebäude und Facility Management: dämmen, digitalisieren, energieautark machen

Quelle: WKT, Manfred Pletzer

Neue Chancen für Tirol

Die weiteren Entwicklungen könnten Tirol durchaus entgegenkommen. Falls demnächst Biogas als Option seitens der EU ermöglicht wird, gibt es gerade in Tirol großes Potenzial. „Schadholz ist ein wichtiger Rohstoff für Biogas, der in den heimischen Wäldern vorhanden ist“, erklärte Thaler. Auch Flugreisen könnten als große CO2-Verursacher in Zukunft deutlich teurer werden. „Das würde für die Destination Tirol speziell im Sommer zusätzliche Impulse bringen“, ist Manfred Pletzer überzeugt. Durch intelligente Mobilitätslösungen wie die App des heimischen Startups „ummadum“ ergeben sich neue Möglichkeiten für Unternehmen, Veranstalter und Kommunen, nachhaltige Anreisen zu fördern. „Das Thema Nachhaltigkeit wird uns in den nächsten Jahrzehnten begleiten und bietet gerade für Tirol vom produzierenden Sektor über die IT-Branche bis hin zum Tourismus enorme Zukunftschancen“, ist Pletzer überzeugt.         

Die Veranstaltung wurde nach den Kriterien von GREEN EVENTS TIROL organisiert.

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