„Faire Lieferketten? Ja, aber bitte richtig!“

Foto: European Parliament Stavros

Verhandlungen zum Lieferkettengesetz und seine Auswirkungen

Die Tiroler EU-Abgeordnete Barbara Thaler berichtet in ihrer Kolumne direkt aus dem Europaparlament über die Verhandlungen zum Lieferkettengesetz.

Bedeutet ein Nein zum Lieferkettengesetz ein Ja zu Kinder- und Zwangsarbeit? Auf gar keinen Fall! Auch wenn das manche jetzt so hinstellen. Ich habe gegen die momentane Position des EU-Parlaments gestimmt, weil sie vollkommen übers Ziel hinausschießt. Die vorausgehenden Verhandlungen zum Lieferkettengesetz im Rechtsausschuss waren lange und hart, auch aufgrund eines bereits sehr schwierigen Kommissionsvorschlages. Letztlich herausgekommen ist aber eine Parlamentsposition, die fast ausschließlich die europäischen Klein- und Mittelunternehmen belasten würde. Aus diesem Grund habe ich diese Verhandlungsposition abgelehnt

Klar ist: Die Europäische Union muss ihre Verantwortung im internationalen Handel wahrnehmen. Die Grundvoraussetzung dazu sind allerdings verhältnismäßige und zielgerichtete Gesetze. Unsere KMUs, das Rückgrat von Beschäftigung und Wohlstand in Europa, sind jedoch nicht die ersten Ansprechpartner, wenn es darum geht, internationale Lieferketten fair zu gestalten. Unsere kleinstrukturierte europäische Wirtschaft gehört zu den vorbildlichsten der Welt und hat bereits etliche Berichts- und Nachhaltigkeitspflichten. Jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem es einfach reicht. Wir werden einem Lieferkettengesetz in dieser Form nicht zustimmen.

Die konkreten Kritikpunkte sind vor allem der Anwendungsbereich, die Vermischung von Lieferkette und Wertschöpfungskette und auch eine geplante zivilrechtliche Haftung von Unternehmen über das nationale Recht hinaus. Die Parlamentsposition sieht etwa vor, das Gesetz schon auf Unternehmen mit 250 Beschäftigte anzuwenden. Jeder, der sich mit der betriebswirtschaftlichen Praxis eines Unternehmens auseinandersetzt, muss verstehen, dass diese Dinge so nicht erfüllbar sind.

„Die EU hat Verantwortung im internationalen Handel, aber diese auf unsere KMUs abzuwälzen, ist indiskutabel.“

MEP Barbara Thaler

Der jetzige Vorschlag umfasst zudem anstatt der reinen Lieferkette, sondern die gesamte Wertschöpfungskette, inklusive Verkauf, Lagerung und Entsorgung. Europäische Unternehmen für den gesamten Warenkreislauf bis zur Entsorgung verantwortlich machen zu wollen ist schlichtweg undenkbar. Ebenso haben wir von Anfang an eine zivilrechtliche Haftung für Unternehmen über das nationale Recht hinaus ausgeschlossen. Damit würden wir unsere Unternehmen für Vorgänge in der Welt haftbar machen, die komplett außerhalb ihres Einflussbereiches liegen. Alleine der Umstand, das immer wieder klarstellen zu müssen, zeigt welche unternehmerfeindliche Gesinnung hier manchmal dominiert.

Gegen Kinder- und Zwangsarbeit auf der Welt helfen aus meiner Sicht vor allem gut gemachte und nachhaltige Handelsabkommen, die es uns ermöglichen, einen kontrollierten Austausch von Waren und Werten mit den jeweiligen Ländern zu führen. In diese Richtung müssen wir weiterdenken.

Die Parlamentsposition wurde mehrheitlich angenommen, als nächster Schritt beginnen jetzt die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten. Danach müssen wir den Kompromisstext nochmal neu bewerten. Für die momentane Position des EU-Parlaments stehe ich jedenfalls nicht zur Verfügung.

Melde dich gerne unter barbara.thaler@europarl.europa.eu


Zum Nachlesen:

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